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Marco, Carla, Melissa und Cosimo Mantovani
Idylle zwischen Bienenstand und Olivenbäumen

Marco Mantovani ist der beste Beweis für die These, dass das Lebensglück in erster Linie von der eigenen Einstellung abhängt. Der 46-jährige Imker fährt einen staubigen, neun Jahre alten Alfa Romeo ohne Klimaanlage und sagt stolz: „Der Motor ist von Porsche!“ Er besitzt 25 Bienenstöcke mit je 80 000 Bienen, produziert 12 000 kilo Honig im Jahr, verdient dabei eher wenig und Iacht trotzdem :“Ich habe mehr Arbeiterinnen als Berlusconi!“
Mit seiner Frau Carla, den Kindern Melissa, 16, und Cosimo, 7,wohnt er in dem toskanischen Küstenstädtchen San Vincenzo in einem 60-Quadratmeter Apartment, in dem der Flur als Wohnzimmer dient, und fühlt sich reich beschenkt. „Dieses Land, diese Natur hier entschädigen mich für alles. Ich möchte nirgendwo sonst leben.“ Trotzdem wird demnächst umgezogen. Ein bisschen ausserhalb von San Vincenzo, im Grünen zwischen Olivenbäumen und Sonnenblumenfeldern, baut der Imker mit viel Eigeneinsatz gerade ein Haus, das Honig-Werkstatt und Familienheim in einem werden soll. Marco hat schon immer vom Leben auf dem Land geträumt. In der neuen Wohnung wird es ein Wohnbad “wie bei den alten Römern“ geben, einen Ankleideraum und weitläufige 150 Quadratmeter Raum.“Wir werden Wegweiser anbringen müssen!“, sagt er und grinst.Die Zufahrt zum neuen Haus will Marco Mantovani auf die alte römische Art pflastern, mit vier Schichten, „wie die Via Appia, die hat 1000 Jahre gehalten“. Marco ist hiern geboren, an diesem Küstenstreifen der Maremma zwischen Cecina und Piombino, an dem das Licht überirdisch hell gleisst, das Meer von kilometerlangen Pinienwäldern gesäumt ist und die Etrusker in Populonia jede Menge Gräber und Tempel hinterlassen haben, was Marco als Liebhaber der etruskischen kultur natürlich besonders freut. In San Vincenzo besuchte er die Volksschule, ein kurzsichtiger, rothaariger Bub, der immer ganz nah herangehen musst, wenn er etwas sehen wollte. So entstand seine Begeisterung für  Bienen, die er bis ins kleinste Detail studierte. „Ich hatte eigentlich immer ein paar Stiche“.
Nach der Schule versuchte er sich als Obstverkäufer, als Fotograf und auf dem Bau, heiratete dann die ebenso rothaarige Grundschullehrerin Carla und landete als Computertechniker in einer Fabrik- wo er jahrelang blieb, aber keine innere Befriedigung spürte. Erst nach Cosimos Geburt fand er den Mut, das alte Leben aufzugeben und das zu machen, wovon er schon immer geträumt hatte: Honig.
Heute hat Marco Mantovani viel mehr zu tun als früher und vom Tragen der 30 Kilogramm schweren Honigkästen so muskulöse Oberarme bekommen, das sie auch als Oberschenkel durchgehen könnten. Carla hat in ihrer Küche den Gebrauch von Zucker  aufgegeben und benutzt nur noch Honig-im Kaffee, im Kuchen, überall. Die bildhübsche Melissa besucht die höhere Schule in Cecina, hat im Kinderzimmer die regenbogenfarbene „Pace“-Fahne aufgehängt, träumt von einer Reise nach Indien und geht, seit sie bei den Pfadfindern aufgehört hat, zweimal in der Woche zum Funky Dance. Cosimo malt und erfindet. Aus zwei Plastikbechern, Tesafilm und einer Schnur hat er einen ziemlich gut funktionierenden Kreisel gebaut.
In den Ferien fahren die Mantovani immer ins Trentino, wo Carla Verwandtschaft hat, Marco zu viele Knödel isst und spätestens nach einer Woche wieder nach Hause will, denn ohne das Meer kann er nicht leben. Das Meer befreise seinen Geist, sagt er, und gebe ihm in schwierigen Situationen die richtigen Antworten.
Auch Carla ist glücklich am Wasser. Im Juli und August, wenn Schulferien sind, zieht sie jeden Morgen mit Melissa, Cosimo und dem Sonnenschirm zum Strand Conchiglia im Norden von San Vincenzo. Nur am Sonntag setzen die Mantovani freiwillig keinen Fuss in den Sand. Wenn Scharen von Städtern anreisen, die Strassen verstopfen, Eispapierchen fallen lassen und im Wasser herumlärmen, dann steigt Familie Mantovani geschlossen in den Alfa Romeo, startet den Porsche-Motor und fährt weit ins Hinterland hinein, Museen mit etruskischen Schätzen basuchen, toskanische Natur atmen und einfach mal gar nichts tun.


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